Reiseliebe und das, worüber keiner spricht

Reiseliebe und das, worüber keiner spricht

Heute Morgen hat mich die Augenwischerei bei instagram regelrecht angepickt und mich hat das Bedürfnis ereilt mal etwas mehr Realität in den weichgespülten, pastellfarbenen Dunstkreis der Reiseblogger zu bringen.

 

In meiner eigenen virtuellen Blase sitzt ja gefühlt jeder zweite lässig meditierend am schönen Sandstrand, wellenumspült, glücklich lächelnd und tiefsinnig eine Kokosnuss haltend unter einer Palme.

 

Es scheint das einfachste der Welt zu sein zu reisen und auf großem Fuß zu leben, weil wir ja alle total gewinnbringend Yoga unterrichten oder den neuen Traumjob digitaler Nomade für uns entdeckt haben, bei dem man eigentlich nur networkend und gutaussehend vor seinem Laptop sitzt, selig Matcha schlürft und irgendwas mit Marketing macht.

Was da irgendwie fehlt sind die Tränen, die Verzweiflung, die Momente von nicht weiter wissen und ganz praktisch ohne Geld da zu stehen. Darüber bloggt keiner.

Passt ja nicht so gut in den Rahmen der pastellfarbenen Bilder.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, es gibt diese Tage und ich wette jeder der mal länger als einen Pauschalurlaub lang unterwegs war, kennt dieses Gefühl von Panik und Hilflosigkeit.

Ich bin letztes Jahr mit verschnupfter Nase, Halsschmerzen und irgendwie schlechter Laune nach Sydney gereist. Zu dem Zeitpunkt war ich schon gut zwei Monate unterwegs.

Klar, da ist man irgendwann erschöpft, der Körper rebelliert und man fühlt sich ein bisschen wie die zusammengeknüllten Klamotten im eigenen, vollgestopften Koffer.

 

Da saß ich nun in Sydney, hatte mit meinen letzten Ersparnissen eine Unterkunft gebucht und bin quasi in einer kleinen Hölle gelandet.

 

Seitdem weiß ich: buche nie wieder was mit geteiltem Bad und nimm Reißaus wenn da was von dog friendly steht.

An meinem ersten Morgen bin ich in eben dieses Bad getapst, bewaffnet mit Zahnbürste und Desinfektionsspray (man weiß ja nie!) und habe mich nach 2 Sekunden in diesem Raum erst mal übergeben. Weil nämlich einer von diesen lässigen Globetrottern die Häufchen seines Hundes im Badezimmermülleimer entsorgt hat. Es kann sich keiner vorstellen, welche gestanklichen Auswirkungen sowas hat.

 

Und dann saß ich da auf dem Fußboden meines 10qm Zimmers, heulend und röchelnd, weil meine Nase ja eh schon verstopft war.

 

Es hat es auch nicht besser gemacht, dass ich dann noch eine Freundin zu Hause anrufen musste um ihr zum Geburtstag zu gratulieren.

In dem Moment habe ich einfach alles gehasst, vor allem mich selbst, weil ich mich ja irgendwie in diese scheußliche Lage gebracht habe. Umziehen war nicht mehr drin, das Reisebudget war komplett verplant, also konnte ich nur aushalten. Und da ja irgendwie eh immer alles zusammenkommt hat man in solchen Situationen gerne auch noch Streit mit jemandem am Telefon, kippt sich eine Flasche Propolis über eine neue Jeans (Flecken forever) und leidet an einem angeknacksten Herzen.

 

Rückblickend kann ich sagen: diese Momente sind großartig. Du hast da nämlich immer die Wahl – entweder weiter heulen, Zeugs packen und heim zu Mutti oder du richtest dich mal zu deiner wahren Größe auf und nimmst die Dinge in die Hand. Ich war Variante 2.

 

Hieß in dem Fall ich habe dem Typen mit dem Stink-Hund einen nicht so netten, sehr langen Brief an seine Tür geklebt (gut sichtbar für alle die daran vorbei kommen). Darin ging es sehr viel um sich schämen, Egoismus, Rücksichtnahme und schließlich gab es noch einen kleinen Hygiene Lehrgang. Ich glaube in der folgenden Nacht hab ich ihn nebenan leise weinen gehört.

Außerdem bin ich des öfteren zur Rezeption und habe geduldig, nett aber beharrlich permanent mein Leid geklagt. Das hatte zur Folge, dass mich zwei Tage später jeder Mitarbeiter namentlich begrüßt hat, ich in ein schönes Zimmer umziehen durfte und einen Entschuldigungskarte vom Management mit einer Tüte voller L’Occitane Produkte auf meinem Bett liegen hatte – wahrscheinlich damit ich endlich Ruhe gebe.

 

Und vor allem: ich bin raus, raus aus dem Gestank und meinem eigenen Elend und Trübsal. Ich hab  mich mit Haut und Haaren auf Sydney eingelassen, die Sonne genossen und den verschnupften Rüssel in die Meeresbrise beim Coastal walk am Bondi Beach gesteckt.

 

Und genau wenn man das alles tut, dann passiert die Magie. Die Dinge wandeln sich zum Guten und ein angeknackstes Herz wird wieder heil und verliebt sich neu in die vielleicht schönste Stadt der Welt.

Dieses Bild passt dann auch wieder in einen pastellfarbenen Rahmen.

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