Airlie Beach – oder das Hostel of Horror

Airlie Beach – oder das Hostel of Horror

Airlie Beach und ich – ich gebe zu wir hatten einen schwierigen Start. Alles begann bereits in Brisbane, wo ich nur unter Miteinwirkung meines doch beachtlichen Körpergewichtes in der Lage war meinen Koffer zu schließen. Allein dieses Vorhaben dauerte ungefähr eine Stunde, weshalb ich auch vor lauter Erleichterung, dass der Koffer endlich zu war, schlichtweg vergessen habe mein Handgepäck zu wiegen.

Das hat dann netterweise ein Mitarbeiter am Flughafen für mich übernommen. Aber selbst zu diesem Zeitpunkt war ich mir keiner Schuld bewusst. Das war immerhin mein Rucksack, den ich den ganzen Tag mit mir rumgetragen hatte, der konnte nicht so schwer sein. Wer bin ich denn? Hulk?

 

Nun gut, der Rucksack wog dann 11kg, da war meine Yogamatte – das Fliegengewicht – noch gar nicht berücksichtigt. Erlaubt waren 7 kg.

 

Also sah man eine panische Frau am Gate ihr Handgepäck durchwühlen mit der großen Frage, was davon brauche ich nicht. Natürlich gab es darauf keine zufriedenstellende Antwort. Also trennte ich mich schweren Herzens von irgendwelchem Kram, Kosmetikpröbchen, einer Trinkflasche und allem, was irgendwie entbehrlich wirkte.

Das neue Ergebnis an der Waage: 10kg. Und ich kurz vorm Nervenzusammenbruch. Letztlich blieb mir nichts anderes übrig als den Rucksack einzuchecken. Strafe für eigene Dummheit: 60 australische Dollar, ungefähr so viel wie mich der Flug im Gesamten gekostet hat.

Ich atmete ein bisschen und war dann einfach nur froh, dass ich doch noch mit mir selbst und all meinen Habseligkeiten an Bord war. Bequem eingemummelt im Sitz, bereit für ein Mittagsschläfchen.

Nach der Landung hatte ich das Übergepäck Chaos schon fast vergessen und wollte mich geschmeidig aus meinem Sitz erheben. Aber der Sitz konnte mich nicht loslassen. In den zwei Stunden Flugzeit war ich nämlich mit einem darauf hinterlassenen Kaugummi verschmolzen. Ich trug eine komplett neue Hose, letzte Woche erst gekauft. Yeah!

(An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass alle Tipps zur Kaugummi-Entfernung von Textilien, die NICHTS mit einer Kühltruhe zu tun haben, herzlich willkommen sind).

 

Aber selbst das konnte ich mit einem kurzen Augenrollen wegstecken. Draußen war schönes Wetter, es war warm und ich konnte Kängurus am Straßenrand sehen. Schönes Australien!

 

Und dann traf ich im Hostel ein – im Folgenden kurz HOH genannt (Hostel of Horror). Natürlich war ich bereits bei der Buchung skeptisch. Hostel? Ich? Echt jetzt?

Aber gut, ich wollte nur ein sauberes Plätzchen zum Schlafen für mich, den Koffer und den Rucksack. Ein bisschen Privatsphäre durfte aber schon sein, daher buchte ich ein Doppelzimmer.

Bei der Ankunft war ich schon etwas verwundert, das Hostel war quasi eine Open-Air-Disco. Was war das? Der australische Bierkönig? Gibt es hier Sangria? Unerschütterlich in meinem Glauben rollte ich den Monsterkoffer durch das betrunkene Partyvolk, immer noch guten Mutes, dass das schon alles irgendwie ok sein würde. Und dann betrat ich mein Zimmer im HOH.

 

Zimmer, Garage, Schuppen? Ich weiß es nicht. Es war ein Holzverschlag, ähnlich einem Kaninchenstall im Garten mit einem Doppelbett drin.

 

Das wars an Einrichtung. Dafür wabberte einem von allen Seiten ein undefinierbarer Geruch entgegen.

Da dämmerte mir zum ersten Mal, dass die nächsten Tage ein wenig herausfordernd werden könnten. Aber ich war bereit dem Projekt HOH die Stirn zu bieten. Bis ich auf die Idee kam mir mal die „sanitären Anlagen“ anzugucken. Ich möchte an dieser Stelle nicht allzu sehr ins Detail gehen, man stelle sich einfach eine Toilette auf einem Rastplatz mitten im Nirgendwo vor, die seit der Jahrtausendwende  keinen Putzlappen mehr gesehen hat.

 

Langsam verlor ich die Fassung! Was sollte ich tun? Laut rufen „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“? Würde jemand darauf antworten?

 

Ich ergriff die erste Maßnahme zur Selbsthilfe, schlich mich raus aus dem HOH und bestellte mir in der nächstbesten Bar erst mal ein großes Bier. Ich wusste, dass ich auf keinen Fall im HOH bleiben konnte.

An dieser Stelle danke ich Apple, dem Erfinder des Internets (wer war das eigentlich?) und meiner Kreditkarte, die mir ein schnelles Suchen und Finden einer Alternative ermöglichten. Mit den HOH Mitarbeitern konnte ich einen Deal machen und so rollte ich zwei Stunden nach Ankunft den Monsterkoffer wieder raus dem Bierkönig.

 

Ich wohne jetzt im Heart Hotel. Und was soll ich sagen: es hat alles was MEIN HERZ tatsächlich begehrt!

 

Weiße Kissen, flauschige Handtücher, es duftet nach Sauberkeit und Salzwasser, man hört das Meeresrauschen durchs Fenster und ich bin wie auf einer Wolke in den Schlaf geglitten.

Vielleicht wollte ich mir beweisen, dass ich auch mit einer Low-Budget Unterkunft zurechtkomme. Ich bin zu dem Schluss gekommen: das möchte ich nicht. Und ich muss es auch nicht.

Ich möchte so aufwachen wie heute Morgen und mich fabelhaft fühlen. Natürlich wird sich das nun auf mein Budget und die Dauer meiner Reise auswirken, aber an dieser Stelle setze ich dann doch lieber auf Qualität als auf Quantität. Das einzige was ich mir tatsächlich schuldig bin ist das Allerbeste aus dieser wunderbaren freien Zeit rauszuholen.

Ich sitze gerade auf meinen Balkon, neben meinem Hotel ist ein Parkplatz, da wohnen Menschen in ihren Autos, ein Mädchen schminkt sich gerade im Beifahrer Spiegel. Sicher, man kann so reisen, aber man muss nicht.

Ich sitze dann einfach lieber hier auf meinem Balkon, knuspere Sea Salt Chips, beobachte die Möwen über dem Meer und bin unendlich dankbar, dass alles so ist wie es ist.

 

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